Bitte schenke uns anlässlich des Welt-Autismus-Tages ein paar Minuten Deiner Aufmerksamkeit:
Autisten sind Menschen wie Du und ich, nur anders. Ich interpretiere die Dinge anders, und mein Gehirn kann nicht gut filtern. Das führt dazu, dass ich mich nur schwer auf Dinge konzentrieren kann, die nicht mein Spezialgebiet sind. Manchmal wirke ich scheinbar unhöflich, weil ich die Floskeln und Diplomatie, die dir als neurotypischer Mensch leicht fallen, gerade nicht beachtet habe. Meine Welt ist anders, und ich mag sie sehr. Sie ist ehrlich, geradlinig, unverblümt. In manchen Dingen bin ich gut oder sogar sehr gut, in anderen nicht.
Nein, ich bin nicht wie im Fernsehen dargestellt, immer hochamüsant, wenn ich etwas falsch verstehe. Meistens bin ich sogar hilflos und mache jemanden wütend, weil ich oft gar nicht hilflos wirke, sondern arrogant und unnahbar. Ich bin auch nicht immer männlich oder hochbegabt wie in den meisten Serien. Statistisch gesehen, neige ich mehrheitlich zu Lerneinschränkungen. Krisen sind schlimm für mich. Ich muss dann irgendwie kompensieren. Manchmal drücke ich auf einen Kugelschreiber, wackle oder schreie sogar, wenn es zu viel wird.
Das liegt auch daran, dass ich sehr viel Energie verbrauche, um mich immer an Deine neurotypischen Gewohnheiten anzupassen. Es wäre schön, wenn Du mich besser kennenlernen würdest, dann müsste ich mich nicht so sehr anpassen, und könnte einfach so sein wie ich bin. Ich würde meine Hilfsmittel wie Kopfhörer, Sonnenbrille oder ein Stimmingtool zur Beruhigung nutzen, und vielleicht wäre ich weniger isoliert, weil es nicht so schlimm für Dich wäre, wenn ich mal unhöflich wirke. Wenn du genau hinhörst, erkläre ich einfach nur etwas anders.
Stell Dir vor, du wärst leidenschaftliche*r Gärtner*in und könntest super mit der Gartenschere umgehen, und dann sagt dir jemand: “Du bist jetzt Schneider*in, pass Dich an.” Du hast zwar auch eine Schere, aber es ist eine andere Welt, und irgendwie hilft Dir all Dein Wissen nicht so richtig weiter und gut fühlt sich das auch nicht an. So entstehen Enttäuschungen auf allen Seiten und schlechte Bewertungen.
Zur Zeit geht man davon aus, dass auf 100 Menschen ca. 1-3 Autisten kommen. Aktuelle Zahlen* zeigen, dass es eine 500-fache Steigerung bei der Diagnose gibt. Das ist keine Mode, nur Menschen, die sich bisher aus Angst vor Stigmatisierung nicht getraut haben, oder die bisher nicht diagnostiziert wurden, da man zu wenig über Autismus wusste.
Warum ist das wichtig?
- Viele Autisten ohne Lernbeeinträchtigung schaffen den Schulabschluss, haben allerdings als Erwachsene dennoch Probleme, im Leben klar zu kommen und einen Job zu finden. Das emotionale und auch das wirtschaftliche Defizit ist riesig. Wenn man Wege findet, kann man nicht nur helfen, die Menschen zu integrieren, sondern kann vielleicht sogar neue Synergien schaffen.
- Die Anpassung, die man “maskieren” nennt, kostet enorme Kräfte. Die Konsequenzen sind häufig Depressionen, Phobien und schlussendlich die Isolation. Bei Menschen mit Autismus ohne Intelligenzminderung ist die nichtnatürliche Haupttodesursache Suizid, das Suizidrisiko ist deutlich erhöht (ca. 10-fach).*
Wie kannst Du helfen?
- Wir haben an jeden Landkreis geschrieben. Frage nach, ob Dein Landkreis, den Brief erhalten hat und sich mit dem Thema näher befassen wird. Schreib uns gern oder setze uns cc, wenn Du aktiv wurdest. (Den Brief an die Landräte findest du auf www.stille-stunde.com/presse)
- Sprich über die Aspekte aus dem Brief auch mit Deinem Bürgermeister oder Deiner Bürgermeisterin. Sind bei den regionalen Spielplätzen auch die senso-rischen Barrieren bedacht? Werden bei Veranstaltungen Rückzugsorte für Menschen mit nicht sichtbaren Behinderungen angeboten? Besonders bei Beschäftigten von Schulen und Kindergärten sind die Weiterbildungen ganz wichtig. Wird beim Thema Inklusion das Thema sensorische Barrieren und Menschen mit nicht sichtbaren Behinderungen berücksichtigt?